Medizinstudium und Prüfungen in Wien, Graz un
„Auf der anderen Seite ist das Gras immer grüner.“ Eine alte Weisheit, die auf mich persönlich oft nur allzu gut zutrifft. Auf uns alle, wie ich denke. Ganz besonders auch, wenn es um Studium und Prüfungen geht, denn irgendwie scheinen die anderen immer weniger zu tun zu haben als man selbst. Ganz ehrlich, eine einzige Prüfung über den gesamten Jahresstoff, wie blöd ist das eigentlich??
Ein Humanitäts-Vergleich
„Auf der anderen Seite ist das Gras immer grüner.“ Eine alte Weisheit, die auf mich persönlich oft nur allzu gut zutrifft. Auf uns alle, wie ich denke. Ganz besonders auch, wenn es um Studium und Prüfungen geht, denn irgendwie scheinen die anderen immer weniger zu tun zu haben als man selbst. Ganz ehrlich, eine einzige Prüfung über den gesamten Jahresstoff, wie blöd ist das eigentlich??
Über die armen Menschen des vierten Jahres bricht sie jetzt gerade herein, die SIP, die übrigen wird sie früher oder später auch noch einholen. (Im sommerlichen Juni, wenn alle anderen Eis essen gehen und baden…) Für diejenigen die SIP-technisch noch jungfräulich sind, ein kurzes Briefing: Die Summative integrierte Prüfung ist eine schriftliche Multiple-Choice Prüfung über den Stoff eines Jahres (5 bis 6 Blöcke). Sie umfasst für gewöhnlich ca. 230 Fragen, die man tunlichst nicht mittels Kreuzchen, sondern mit feinsäuberlich ausgemalten Antwortkästchen - die Uni will uns auch in Fingerfertigkeit und Geduld schulen - beantworten sollte. Dabei ist die richtigste Antwort zu wählen, oftmals auch mehrere. Die Zeit reicht normalerweise völlig aus, man kann durchaus eine umfassende Jause zur Entspannung mitbringen. Die SIPs sind die einzigen großen Prüfungen des Studiums, mal abgesehen von einem mündlichen Pharma-Seminar dann und wann. Dabei ist aber weniger der Stoffumfang erwähnenswert, als die nicht zu verachtende psychisch-zermürbende Komponente. Praktische Fähigkeiten werden im Famulaturpropädeutikum am Ende des zweiten und beim OSCE am Ende des vierten Jahres überprüft.
Um unser Prüfungssystem einigermaßen objektiv beurteilen zu können, habe ich mir mal das Gras auf der anderen Seite angeschaut, sprich, den Studien- und Prüfungsaufbau der Medizinunis in Deutschland und Graz. Meine Recherchen ergaben Folgendes:
Als Student in Graz habe ich pro Semester sechs Module, die den Wiener Blöcken entsprechen und ich absolviere Tracks, statt Lines. Module wie Tracks sind ziemlich ähnlich wie in Wien aufgebaut, pro Modul wird ein Organsystem oder ein zusammengefasster Themenbereich durchgenommen. Wobei ich manche Kombinationen recht spannend finde, muss ich sagen. Da geht Vererbungslehre und Urologie Hand in Hand, genauso wie Öffentliches Gesundheitswesen und Zahnmedizin zu einem Modul zusammengefasst werden. Auch die zum Teil lyrische Namensgebung der Module hat mich an manchen Stellen des Curriculums zum Schmunzeln gebracht, wie „Spannungsfeld Persönlichkeit“ (Psychiatrie), „Weibliche Lebensphasen“ oder „Grenzflächen“ (Haut und Schleimhäute). Ich muss schon sagen, diese kreative Selbstironie vermisse ich bei uns in Wien…
Der erste Studienabschnitt in Graz dauert ein Jahr, in dem überwiegend Vorklinik gelehrt wird (ebenso in Wien). Der zweite Studienabschnitt dauert vier Jahre und das letzte, sechste Jahr ist nun ebenfalls zum KPJ geworden.
Geprüft wird jedes einzelne Modul in Form von Fachprüfungen, sowie jede Track-LV gesondert. Am Ende des zweiten Studienabschnitts (also nach dem fünften Jahr) gibt es - wie in Wien nach dem vierten Jahr - das OSCE (Objective Structured Clinical Exam), das gilt dann zusammen mit den absolvierten Fachprüfungen und Tracks als die zweite Diplomprüfung. Die dritte Diplomprüfung erfolgt nach dem dritten Studienabschnitt und besteht aus den KPJ-Tertialen und der Diplomarbeit. Keine SIPs also, aber man ist das ganze Jahr über am Lernen, so wie ich das sehe.
Schauen wir uns Deutschland an, da läuft nämlich alles anders. Der erste Abschnitt, die Vorklinik, dauert zwei Jahre und beinhaltet die naturwissenschaftlichen Grundlagenfächer (also das, was bei uns in Österreich in einem Jahr erledigt wird). Diesem Abschnitt folgt der erste Teil der Ärztlichen Prüfung mit einem schriftlichen und mündlichen Teil, das Physikum. Dann gibt’s vier Jahre Klinik, in denen jeder Fachbereich nacheinander durchgemacht wird. In Deutschland wird viel Wert auf praktische Erfahrung gelegt, es gibt Pflichtfamulaturen und im ersten Abschnitt muss sogar für drei Monate Krankenpflegedienst geleistet werden. Das sechste Jahr ist wie in Österreich ein klinisch-praktisches Jahr, das auch genauso aufgeteilt ist (48 Wochen; davon 16 Innere, 16 Chirurgie und 16 zur freien Wahl). Nur am Ende, da wo wir in Österreich schon erleichtert aufatmen, steht in Deutschland noch der zweite Teil der Ärztlichen Prüfung, auch als „das Hammerexamen“ bekannt. Das heißt fünfstündiger Multiple-Choice Test mit über 300 Fragen, gefolgt von zwei Tagen mündlich-praktischer Prüfung. Über alles. Das ganze Studium.
In Anbetracht dessen, werde ich jetzt meinen Mund halten, meine Nase zurück in meine Bücher stecken und froh sein, dass ich „nur“ den Stoff eines Jahres zu lernen habe…